Europäische Ursprache

Es gehört heute zum gesicherten Grundwissen, daß sämtliche in Europa existierenden Sprachen (außer dem Finno-Ugrischen) auf das Indoeuropäische zurückgehen. Also auf die Sprache, die von den Völkern gesprochen wurden, die vor rund 5.000 Jahren von ihrer Heimat in Westrußlang bzw. Anatolien aus ganz Europa besiedelten und die wir Indoeuropäer nennen.

Die Entwicklung vom Indoeuropäischen hin zu den heutigen modernen Sprachen können wir mittlerweile ziemlich genau verfolgen und rekonstruieren, auch wenn natürlich noch eine Reihe von Fragen offen bleiben. Aber im großen und ganzen ist uns die Entwicklung recht gut bekannt. Die linguistische Forschung streitet im wesentlichen nur noch um Détails.

Aber an dieser Stelle drängt sich natürlich die Frage auf: Und was war vorher ?

Was waren es für Menschen, die vor der Ankunft der Indoeuropäer in Europa lebten? Wo stammten sie her? Und vor allem: Welche Sprache/n benutzen sie?

Bisherige Meinung

Bislang nahm man überwiegend an, daß die heute in Europa lebenden Menschen Nachfahren der in den letzten 10.000 Jahren zugewanderten Menschengruppen seien, die aus Zentralasien oder dem Nahen Osten stammten und die Landwirtschaft und indoeuropäische Sprachen mitbrachten.

Man glaubte, daß die Indoeuropäer durch ihre überlegene Zahl (?) die eingesessene Bevölkerung verdrängt oder absorbiert hätten.

Die Basken paßten von vornherein nicht in dieses Muster, insbesondere weil ihre Sprache nicht indoeuropäisch ist. Dies erklärte man mit der (bloßen) Vermutungen, daß sie eben später eingewandert seien.

Heutige Auffassung

In den letzten Jahren mehren sich die Anzeichen, daß es gelingen könnte, Licht in das Dunkel der Vorzeit zu bringen, für die es noch keine schriftlichen Quellen gibt, auf denen man aufbauen könnte.

Dabei ist es bemerkenswert, daß sich die Forschungsergebnisse ganz unterschiedlicher Fachgebiete (Linguistik und Genetik) weitgehend decken: Sowohl die Linguistik als auch die moderne Molekulargenetik kommen zu dem gleichen Ergebnis.

Auch wenn es noch eine These ist, die sich noch nicht allgemein durchgesetzt hat, spricht alles dafür:

Die Ureuropäer waren Basken.
Und ihre Sprache war baskisch!

Linguistischer Ansatz:

Schon im 19. Jahrhundert war den Sprachwissenschaftler aufgefallen, daß die Namen vieler unserer Flüsse, Bäche und Seen sehr alt sein müssen. Inzwischen hat man erkannt, daß der Name oft kein Name ist, sondern nur das (vor Urzeiten benutzte) normale Wort für das Bezeichnete selbst (also z.B. „Bach“, „Fluß“, usw.) , wobei das Wissen hierüber in den seither vergangenen Jahrtausenden verloren gegangen ist.

Dies ist ein ganz normaler, üblicher Vorgang. Auch heute noch verwenden Urbevölkerungen (überall auf der Welt) oft keinen spezifischen Namen für bestimmte geographische Begriffe, sondern nennen sie schlicht „Fluß“, „Berg“, „Wasser“, usw., so daß die Namen also nichts anderes bedeuteten als das Bezeichnete selbst.

Diese Eigenart ist nicht nur auf topographische Begriffe beschränkt. Häufig haben Stämme oder Völker (z.B. in Afrika) nicht einmal für ihren eigenen Stamm einen besonderen Namen. Sie benennen ihren Stamm bzw. ihr Volk oft nur mit einem ganz gewöhnlichen Wort aus ihrer Sprache, bspw. „Volk“. Auch anderen Völker geben sie oft keinen eigenen Namen, sondern verwenden auch für diese gewöhnliche Begriffe. So findet man in Mittel- und Südamerika häufig Namen wie Volk, Feind, Waldleute, usw.

Beispiele hierfür findet man auch im Deutschen und anderen modernen Sprachen.

So bezeichnen Menschen, deren Grundstück an einen Bach oder Teich grenzt, diese oft nicht mit dem richtigen Namen, sondern nennen ihn oft nur kurz „Bach“ bzw. „Teich“.

Ähnlich ist es mit dem Namen unserer Sonne: Wir nennen unser Zentralgestirn immer noch einfach „Sonne“, obwohl wir schon seit einem halben Jahrtausend wissen, daß es Myriaden von weiteren Sonnen gibt. Der Name „Sonne“, mit dem wir den Begriff (unsere Sonne) bezeichnen, weil wir zu der Zeit, als der Begriff entstand, nur eine einzige Sonne kannten, hat sich über die Jahrhunderte erhalten (und wird dies noch über weitere Jahrhunderte tun). Und obwohl wir heute Milliarden anderer Sonnen kennen und vielen Tausenden einen eigenen Namen gegeben haben, nennen wir „unsere“ Sonne immer noch „Sonne“, und verwenden ihren kennzeichnenden Namen „Sol“ nur in Fachkreisen

Man sieht an diesen Beispielen, daß geographische und topographische Begriffe äußerst zählebig sind. Sehr viele Namen für Gewässer, usw. gehen auf archaische Namen zurück, die weit älter sind als die relativ jungen (erst rund 5.000 Jahre alten) indoeuropäischen Sprachen. Spätere Populationen haben diese Bezeichnungen dann übernommen, ohne ihren Sinn zu verstehen.

Für Namen von Flüssen, usw. gilt die Regel, daß sie um so älter sind, je häufiger man sie antrifft.

Hierzu einige Beispiele:

Europaweit enthalten auffallend viele Bezeichnungen gerade von Gewässern einen ähnlichen Wortkern. Folgende Gruppen sind auch in Deutschland besonders häufig:

Ein weiterer typischer Name ist „ Eber “, der im folgenden exemplarisch dargestellt werden.

Dieses Wort findet sich in Europa sowohl in Verbindung mit Flußnamen wie auch mit Ortsnamen. Sie sind meist vorindoeuropäischen Ursprungs, und zwar sowohl die Fluß- wie auch die Ortsnamen.

Zwar sind Siedlungsnamen in aller Regel wesentlich jünger und entstanden meistens erst in historischer Zeit, sehr häufig sogar erst im Mittelalter.

Aber nicht alle. Vor allem die Wortverbindungen mit „Eber“ (wie z.B. Ebersdorf, Ebersberg, Eberau, Ebersbach, usw.) haben nichts mit dem Wort Eber = Wildschwein zu tun, auch wenn die Dörfer in einer waldreichen Gegend liegen. Auch dann nicht, wenn sie – wie das bayerische Ebersberg – an einem kleinen Fluß (der Ebrach) liegt, die ebenfalls das Wort Eber im Namen hat, und einen Eber im Stadtwappen hat (was erst seit dem Mittelalter der Fall ist).

Denn der heutige Sinn des Ortsnamens (Eber = Wildschwein) täuscht. Die Bezeichnung stammt nicht aus dem Mittelalter und auch nicht aus keltischer Zeit, sondern von den Vaskonen (dem lateinischen Namen für Basken in de Antike), also von Menschen, die Europa bald nach der letzten Eiszeit (deren Höhepunkt vor 20.000 Jahren war) von Südfrankreich aus besiedelten.

Und die Bedeutung hat nichts mit „Wildschwein“ zu tun. Der Name beruht vielmehr auf dem baskischen Wort ibar , das „ Tal, Flußmündung “ bedeutet.

Viele Namen von Siedlungen, Flüssen, Bergen, Tälern und Landschaften in Europa dürften auf vorindogermanische Sprachen (vor allem die baskische Sprache) zurückgehen. Hieraus folgt, daß vorindogermanische Völker, die mit den heutigen Basken (lat.: Vaskonen) eng verwandt waren, einst ganz Europa bewohnten.

So gibt es auch in Frankreich dutzende von Orten mit dem entsprechenden Namenelement.
Auch wenn sie (bedingt durch den anderen Sprachraum) für uns etwas anders klingen: Namen wie Ebréon, Ibarolle, Evrune, Ivry, Ivors, Averdon, Avricourt, Avrolle, Yvré und viele mehr lassen sich auf dieselbe Sprachwurzel zurückführen (baskisch ibar , also „Tal, Flußmündung“).

Daß sie nichts mit Wildschwein zu tun haben (anders als bei der zufälligen Namensähnlichkeit des baskischen Wort ibar „Tal, Flußmündung“ mit „Eber“ im Deutschen), sieht man auch daran, daß der ,Eber‘ auf Französisch sanglier heißt.

Genetischer Ansatz

Von der Darstellung der genetischen Hinweise soll an dieser Stelle abgesehen werden, da dies nicht zum Thema der Homepage (Linguistik) passen würde.

Jedem der sich hiermit näher befassen möchte, sei das Buch von Elisabeth Hamel, Das Werden der Völker in Europa (Tenea-Verlag, 2007, 464 Seiten, 35,00 €) empfohlen, in dem die  Forschungsergebnisse aus Sprachwissenschaft, Archäologie und Genetik  ausführlich und detailliert  - und vor allem auch optisch sehr ansprechend - dargestellt werden.