Litauisch - Fortsetzung

C. Besonderheiten einiger Wortarten

Das Substantiv

Litauische Substantive sind entweder männlich oder weiblich. Das Neutrum hat sich nur in einer speziellen Adjektivform erhalten. Insgesamt gibt es 5 Deklinationsklassen, die jeweils aus weiteren Unterklassen bestehen. Von den acht ursprünglichen grammatikalischen Fällen haben sich 7 erhalten (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Instrumental, Lokativ, Vokativ), welche in der Umgangssprache alle noch genutzt werden und sehr deutlichen markiert sind. Im Litauischen unterscheiden sich die Substantive in fast jedem Fall durch eine andere Endung.

 
  Deutsch   Litauisch  
Nominativ das Bier- die Bier-e al-us al-ūs
Genitiv des Bier-es der Bier-e al-aus al-ų
Dativ dem Bier- den Bier-en al-ui al-ums
Akkusativ das Bier- die Bier-e al-ų al-us
Instrumental mit dem Bier mit den Bieren al-umi al-umis
Lokativ im Bier in den Bieren al-uje al-ouse
Vokativ o Bier! o Biere! al-au! al-ūs!
In einigen Dialekten existieren neben diesen indogermanischen Fällen auch einige finno-ugrische Fälle (Illativ, Adessiv und Allativ). Des Weiteren gibt es 2 Numeri (Singular, Plural). Noch relativ häufig, wenn auch aussterbend, ist der Dual (Zweizahl) anzutreffen.

Aufgrund ihrer deutlichen Flexion ist die Wortstellung des Litauischen ungewöhnlich frei. Es ist sogar möglich, dass zusammengehöriges Substantiv und Adjektiv getrennt werden.

Das Verb

Im Gegensatz zur Deklination hat sich das Verbsystem relativ stark vereinfacht.

Es werden die Kategorien der Person (3), der Tempora (4), der Modi (4), der Genera (2), der Numeri (3) und der Aspekte (2) angewandt. Die 4 „reinen“ Zeitformen sind mehrmalige Vergangenheit, Präteritum, Präsens und Futur. Das litauische Verb verfügt über die Modi des Indikativ, Konjunktiv, Imperativ und Optativs, wobei die letzten drei Formen nur im Präsens existieren. Eine eigene Passivform und perfektive Zeitformen existiert nicht. Sie werden, wie im Deutschen, mit Hilfe der Partizipien ausgedrückt. Wie bei den Substantiven auch existiert neben der Ein- und Mehrzahl auch die Zweizahl, welche jedoch fast ausschließlich in älteren Texten oder besonders archaischen Dialekten vorkommt.

Der Aspekt wird ähnlich verwendet wie in den slawischen Sprachen. Mit seiner Hilfe kann man die Betonung der Handlung entweder auf Ihre Durchführung oder ihre Vollendung legen. Die Bildung erfolgt im Gegensatz zum Slawischen jedoch sehr regelmäßig mit Hilfe der Vorsilbe „pa-“.

Auffallend ist die hohe Anzahl an Partizipien. Jede Zeitform (außer der mehrmaligen Vergangenheit, die kein passives Partizip besitzt) verfügt über ein aktives, passives und ein Gerundiumpartizip. Daneben existieren noch das Adverbialpartizip und das Partizip der Notwendigkeit.

Mit insgesamt 13 Partizipien verfügt Litauisch über die meisten Partizipen aller indoeuropäischen Sprachen. Hier ein kleines Beispiel (aus Platzgründen nur die männlichen Formen im Nominativ Singular) des Verbs „žaisti“ spielen:

 
Partizip Litauisch Deutsch
mehrmalige Vergangenheit aktiv žaisdavęs der, der wiederholt gespielt hat
spezielle Gerundium mehrm. Verg. žaisdavus nachdem wiederholt gespielt wurde
Vergangenheit aktiv žaidęs der, der gespielt hat
Vergangenheit passiv žaistas gespielt
spezielles Gerundium Vergangenheit žaidus nachdem gespielt wurde
Gegenwart aktiv žaidžiantis spielend
Gegenwart passiv žaidžiamas das, was gespielt wird
spezielles Gerundium Gegenwart žaidžiant während gespielt wird
Zukunft aktiv žaisiantis der, der spielen wird
Zukunft passiv žaisimas das, was gespielt werden wird
spezielles Gerundium Zukunft žaisiant während gespielt werden wird
spezielles Adverbialpartizip žaisdamas während er spielt
Partizip der Notwendigkeit žaistinas das, was zu spielen ist

Die zahlreichen Partizipienformen können einem das Erlernen der Sprache erheblich erschweren. Sie dienen, wie im deutschen, als Adjektive (der schlafende Mann) oder als Verformen (der Mann hat geschlafen). Zudem bildet man mit ihnen die Passivformen. Eine weitere Aufgabe, insbesondere der Adverbial und Gerundiumspartizipien, ist die Umschreibung von Zuständen, die vor oder während einer weiteren Handlung stattfinden. Diese Verwendung kennen viele Lateinschüler vom Abl. abs., der im Litauischen jedoch mit dem Dativ und dem Gerundiumpartizp gebildet wird.

Bei der Konjugation der Verben muß man wissen, zu welcher Konjugationsklasse die Verben gehören. Die Konjugation an sich ist sehr regelmäßig. Eine Ausnahme bildet lediglich das Verb sein - „buti“. Dieses kann auf 4 Arten konjugiert werden, wobei die einzelnen Konjugation auch einen leichten Bedeutungsunterschied haben.

 
  I II III IV  
esmi esu būnu būvu ich bin
tu esi esi būni būvi du bist
jis esti yra būna būva er/sie/es ist
mes esame esame būname būvame wir sind
jūs esate esate būnate būvate ihr seid
jie esti yra būna būva sie sind

Die Formen von I und II betonen dabei einen kürzeren Zustand, während die Formen der Spalten III und IV eher die Dauerhaftigkeit bzw. Gewohnheit des Zustandes betonen. Beispielsweise würde der Satz „Ich bin krank“ mit einer Form der der Spalte zwei gebildet, der Satz „Ich bin immer krank“ jedoch eher mit einer Form der Spalte III. Weiterhin sind die Formen der Spalte I und IV poetisch und veraltet. Benutzt man „buti“ im Präsens kann es auch einfach weggelassen werden.

Wie bei archaischen Sprachen üblich, kann auf den Einsatz der Personalpronomen verzichtet werden.

Adjektive und Adverbien

Adjektive und Adverbien werden im Litauischen sehr regelmäßig gebildet – es gibt keinerlei Ausnahmen! Interessant ist die Steigerung. Neben der Grundform und den beiden Steigerungsformen die es im Deutschen gibt (schön – schöner – am schönsten) gibt es im Litauischen noch eine vierte Form:

 
ger as schön
ger ėl esnis ein bißchen schöner
ger esnis  schöner
ger iausias am schönsten

Im Gegensatz zu den Substantiven gibt es hier auch neutrale Formen. Dazu streicht man einfach den letzten Buchstaben der männlichen Form im Nominativ weg. Diese Formen werden genutzt um allgemeingültige Zustände auszudrücken. „Hier ist es schön., Mir geht es gut.“.

Eine weitere Besonderheit sind die bestimmten Formen der Adjektive. Diese werden gebildet, indem man an das Adjektiv die Personalpronomen „jis – er“ für männliche, bzw. „ji – sie“ für weibliche Formen an des Adjektiv anfügt. 

Deutsch männlich weiblich    
weiss baltas baltasis balta baltoji

Kompliziert wird es, wenn man diese Formen deklinieren möchte, da nun beide Endungen dekliniert werden müssen. Im Extremfall sieht das dann wie folgt aus:

Nominav Plural balt-i balti-e-ji balt-os balt-os-ios
Lokativ Plural balt-uose balt-uos-iuose balt-ose balt-os-iose

Zusammenfassung

Von allen noch lebenden indoeuropäischen Sprachen hat sich die litauische Sprache am wenigsten verändert. Sie ist deshalb für das Studium der Indoeuropäischen Ursprache von herausragender Bedeutung und in ihrer archaischen Struktur auf einer Stufe mit Latein, Altgriechisch bzw. Sanskrit.

Dies gilt vor allem für die Phonetik. Aber auch in der Grammatik haben sich zahlreiche altertümliche Formen erhalten, die so nur noch im Litauischen vorkommen. Die Komplexität der Flexion, die zahlreichen Partizipien sowie grammatikalischen Formen, die sonst nur aus dem Latein- oder Griechischunterricht bekannt sind, erschweren das Erlernen der Sprache erheblich.

Auf der anderen Seite ist Litauisch eine höchst regelmäßige und ausserordentlich klangvolle Sprache. Die Argumente sie zu erlernen sind die gleichen wie die zum Erlernen des Lateins. Das Beherrschen der litauischen Sprache erleichtert einem das Erlernen jeder lebenden indoeuropäischen Sprache!

Quellen

Dambriunas, L.; Klimas, A.; Schmalstieg, W. R. (1966), Beginners Lithuanian, New York.

Palauskienė, A.; Valeika, L. (1994), Modern Lithuanian, Vilnius. Ramonienė, M.; Press, I. (1996), Colloquial Li

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