Phasen der Sprachentwicklung

1.Griechenland zwischen 2000 und 1200 v.Chr.

Zur Zeit der Einwanderung der Dorer (um 1200 v.Chr.) ist das eigentliche Griechenland vollständig hellenisiert. Die Sprachenlandschaft ist relativ einheitlich.

Das Griechisch des 2. Jahrtausends hat sich zwar gegenüber dem Gemeingriechischen (also der Sprache, die mit den Indoeuropäern um 2000 nach Griechenland gekommen war) deutlich weiterentwickelt, jedoch geschah dies im wesentlichen einheitlich.

Im Wortschatz existieren allerdings noch sehr viele nichtgriechische Elemente. Und an der Peripherie Griechenlands sowie an abgelegenen Orten werden immer noch nichtgriechische Sprachen gesprochen. So erwähnt z.B. Homer (Ilias II, 681 ff, 843 ff; Odyssee XIX, 179 ff)) von den Pelasgern in Argos, Thessalien und Kreta). Auch bei Herodot und Thukydides ist von Gegenden die Rede, wo noch Restgruppen der Pelasger wohnen. So ist Griechisch um das Jahr 1.200 v.Chr. die herrschende Sprache in Griechenland selbst, besetzt aber nur zum Teil die Randgebiete wie Kypros, Kreta und Lemnos, und ist zweifellos schwach vertreten in Kleinasien und anderen Orten, bis zu denen die mykenische Expansion vorgedrungen war. Im Norden wird es vom Illyrischen und vom Thrakischen begrenzt, in Kleinasien vom Phrygischen, weiteren indogermanischen Sprachen.

2. Bedeutung der Dorischen Invasion (um 1200)

Eine wichtige Zäsur stellt um 1200 v.Chr. die Dorische Invasion dar. Diese bringt einen archaisierenden Dialekt nach Griechenland, dem die Neuerungen des Ostgriechischen fehlen, das um das Jahr 2000 nach Griechenland eingedrungen war und es im Verlauf des 2. Jahrtausends hellenisiert hatte.

Zur Zerstörung der früheren Kultur kam ein weiteres Unglück: Während das Griechische bis zu diesem Zeitpunkt relativ einheitlich war, wurden nun 3 Regionen voneinander getrennt, die nicht von der Invasion betroffen waren. Aufgrund ihrer Isolierung entwickeln sich in diesen Regionen nun 3 Dialekte (das Thessalische und Böotische, das Attische und das Arkadische), die dann nach Kleinasien und auf die Inseln exportiert wurden.

Diese 3 voll entwickelten Dialekte nennen wir

 
Arkadisch-Kyprisch (Arkadien und Insel Zypern)
Äolisch (Thessalien und Böotien)
Attisch-Ionisch (Attisch = Attika = Gegend um Athen),  ionisch = die Inseln zwischen Griechenland und Kleinasien mit Ausnahme der 3 großen Inseln im Süden) und

a.
Von dem arkadisch-kyprischen Dialekt ist nur wenig bekannt. Er geht auf das Griechisch zurück, das zu mykenischer Zeit auf dem Peloponnes und einigen der südlichen Inseln gesprochen wurde. Diese Sprache fand sich z.B. auf den in der damaligen Silbenschrift Linear B geschriebenen Tontafeln aus der Zeit um 1500 v.Chr., die bei Ausgrabungen auf Kreta und dem Festland gefunden worden waren und die 1952 von Veltris entziffert worden waren.

b.
Der dorische Dialekt, der ursprünglich nur in Nordgriechenland gesprochen wurde, verdrängte später weitgehend das Arkadisch-Kyprische vom Peloponnes und auch von den südlichen Kykladen, Kreta und den griechischen Kolonien in Kleinasien, Sizilien und Italien. Die meisten Gedichte Theokrits aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. sind in diesem Dialekt abgefasst, und auch die Sprache Pindars weist dorische Züge auf.

c.
Äolisch wurde vor allem in Äolien, Thessalien und Böotien gesprochen. Es war die Sprache des Dichters Alkaios und der Dichterin Sappho.

d.
Das Ionische wurde auf vielen der ägäischen Inseln und an weiten Teilen der kleinasiatischen Küste gesprochen; es findet sich in verschiedenen literarischen Werken des 5. Jahrhunderts v. Chr., allen voran in den Schriften des Arztes Hippokrates und des Geschichtsschreibers Herodot.

Aus dem ionischen Dialekt entwickelte sich das Attische, die maßgebende Form des klassischen Griechisch. Attisch war die Sprache Athens und seiner Umgebung, der Region Attika.

3. Ausbreitung des Griechischen

Die Ausbreitung des Griechischen außerhalb Griechenlands erfolgte nach der Katastrophe des Zusammenbruchs der großen mykenischen Reiche um das Jahr 1200, besonders seit dem 9. Jahrhundert, als die Griechen in Konkurrenz zu den Phönikern erneut das Mittelmeer erkundeten, dort Handel trieben und Kolonien gründeten.

In den folgenden Jahrhunderten machten die Äolier, Ionier und Dorier die Inseln und die Westküste Kleinasiens praktisch zu einem neuen Griechenland.

Um das 8. Jahrhundert waren die Dialekte vollständig ausgebildet. Dies ist auch der Zeitpunkt des Beginns der Kolonisation der Magna Graecia (“Großgriechenland“) mit Sizilien und dem Süden Italiens, die von den Griechen beherrscht wurde.

Zugleich ist es der Beginn der Ausbreitung des Alphabets und der griechischen Sprache.

Außerhalb der Magna Graecia besetzten die Griechen im Rahmen der allgemeinen Kolonisation nur isolierte Städte an den Küsten des Schwarzen Meers und beinahe des ganzen Mittelmeers.

Eine Ausnahme bildeten die von den Karthagern und den Phönikern beherrschten Gebiete des westlichen Mittelmeerraums: das westliche Nordafrika, Westsizilien, die Inseln des westlichen Mittelmeers, Südspanien. Soweit die Griechen diese Orte besetzt hatten, wurden sie aus allen nach der Schlacht von Alalia gegen die die Etrusker und Karthager im Jahr 535 vertrieben. Nach dieser Niederlage blieb das westliche Mittelmeer den Griechen verschlossen.

Von dieser Ausnahme abgesehen, lagen die griechischen Städte an allen Küsten, sozusagen „wie Frösche um einen Teich“ (so bildhaft Platon in Phaidon).

Und überall wurden die griechischen Dialekte, vor allem das Dorische und das Ionische gesprochen.

Es war die Zeit eines ungeheuren kulturellen Aufschwungs: Die griechische Literatur verbreitete sich über den gesamten Mittelmeerraum, die Künste blühten, die griechischen Wissenschaften (z.B. die Mathematik und Philosopie) standen in hohem Ansehen, und die griechischen Waren und Erzeugnisse, wie Vasen, Amphoren, usw. waren überall hochbegehrt . Die griechischen Städte standen in ständigem Kontakt mit den einheimischen Völkern des Hinterlandes, die von hier aus viele Anleihen bei der griechischen Kultur machten, wovon das Alphabet eine der wichtigsten war. Wissenschaft und Handel blühten wie nie zuvor.

n diese Zeit fällt auch die Erfindung des griechischen Alphabets. Es stammt vermutlich von einem Ort, an dem Griechen und Phöniker zusammenlebten, und diente zunächst dem Handel. Denn Handelsgeschäfte sind viel leichter abzuschließen und abzuwickeln, wenn es schriftlichen Unterlagen und Aufzeichnungen gibt.

Ein großer Vorteil des griechischen Alphabets bestand in seiner Flexibilität. Es ermöglichte es nichtgriechischen Völkern, ihre eigene Sprache mit dem griechischen Alphabet zu schreiben, wobei sie es oft den Bedürfnissen der eigenen Sprache anpaßten. Am bekanntesten ist die Entwicklung des lateinischen Alphabets, das aus dem griechischen Alphabet abgeleitet wurde (Näheres hier)

Beides zusammen - die Einführung des griechischen Alphabets praktisch im gesamten Mittelmeerraum und die Ausbreitung der griechischen Sprache - um die Mitte des 8. Jahrhunderts stellt den Beginn einer tiefgreifenden Hellenisierung dar.

Vor diesem Hintergrund darf diese (zweite) Kolonisation nicht nur als Beginn einer neuen griechischen Expansion betrachtet werden, die im übrigen vielen weiter ging als die erste in der mykenischen Zeit. Vielmehr war es der Anfang der Ausbreitung der griechischen Kultur und der griechischen Sprache

Vor allem auch das Lateinische – das die Ursprungssprache sämtlicher romanischen Sprachen war und das für die späteren modernen Weltsprachen so wichtig wurde – war von Anfang an tiefgreifend vom Griechischen durchdrungen.