Denglish

Jil Sander
(Quelle: Stuttgarter Zeitung vom 26.02.2000)

Nein – es ist kein erfundenes Interview. Die Dame spricht wirklich so!

Nun könnte man sagen, daß dies eben die Ausdrucksweise einer einzelnen Berufssparte sei, die man nicht ernst nehmen müsse. Aber die Hamburger Moderschöpferin Jil Sander ist beileibe kein Einzelfall, und die Modebranche erst recht nicht.

Die Anglisierung – oder besser gesagt: Amerikanisierung der deutschen Sprache – hat längst sämtliche Lebensbereiche erfaßt . Rund viertausend Wörter, schätzt man, sind schon aus dem Englischen und dem Amerikanischen in die deutsche Sprache eingegangen. Die Zahl steigt rapide weiter, der Prozeß scheint sich zu überstürzen.

Selbst staatliche und öffentliche Institutionen nehmen fröhlich an der Anglomanie teil. Kaum jemand stört sich beispielsweise noch an Begriffen wie InterCity- oder EuroNight-Express. Und haben wir nicht genügend deutsche Wörter, um damit die Tarifmodelle beim Mobiltelefon zu bezeichnen? Kann man statt Fun-/Business-/Job/- nicht Privat-/Geschäfts-/Berufs-Tarif sagen, und wäre nicht statt A1-Friends [a-one-frends] der „Freundschaftstarif“ wesentlich verständlicher?

In der folgenden Liste sind nur einige – ebenso häufige wie entbehrliche – Anglizismen aufgeführt. Die Liste ließe sich beliebig problemlos (um den Faktor 100 !) verlängern:

equipment Ausrüstung
Promotion Werbung, Verkaufsförderung
common sense gesunder Menschenverstand
Support Hilfe, Unterstützung, Kundenbetreuung
fast food Fertigessen, Schnellimbiß
joint venture Gemeinschaftsunternehmen
prepaid vorbezahlt
Fashion Mode
Connection Verbindung, Beziehung
Job-sharing Arbeitsplatzteilung
open air Freiluft-
Airline Fluglinie, Fluggesellschaft
canceln absagen, streichen
Hearing Anhörung
Marketing Vermarktung, Marktforschung, Vertriebsstrategie
corporate identity Erscheinungsbild, Firmenidentität, Firmenbewußtsein
CityCall Ortsgespräch
relaxen erholen
event Ereignis, Veranstaltung

Die Anglizismen haben inzwischen praktisch sämtliche Lebensbereiche durchdrungen.

So sollte man beim Buchen einer Flugreise wenigstens folgendes Airport-Deutsch beherrschen:

"Mit dem stand-by-upgrade-Voucher kann das Ticket beim Check-in aufgewertet werden."

Selbst im tiefsten Bayern bemüht man sich um ein internationales Flair. Ein Wiesnordner könnte seinen Job etwa wie folgt erläutern:

"Schauns, mir san praktisch global players, das Team von Bayern Munich, internationaler gehts fei nimmer! An Goalgetter aus Brasilien und an Tschämpion aus Frankreich! Überhaupts: an polyglotten Flair hamer hier herunten an der Isar. Quasi sind wir beim Wiesn-Event eine große family: Blonde, Schwarze, Gelbe und Preißn - ein Ethnomix, wies sagn. Als Wiesnordner musst allweil English speaken: Welcome to Bavaria ...".

Nun sind Sprachkontakte und Lehnbeziehungen aus linguistischer Sicht etwas völlig Natürliches. Sie können eine Sprache bereichern und ihre Entwicklung fördern. Viele Kultursprachen verdanken ihre Anfänge dem Sprachkontakt. Sie wurden oft erst nach dem Vorbild anderer Sprachen zu dem, was sie heute sind.

Wie sollte z.B. die internationale Wissenschaft ohne Fachausdrücke aus anderen Sprachen auskommen? Es geht deshalb auch nicht darum, die Aufnahme neuer technischer Begriffe, insbesondere im Zusammenhang mit der Computertechnologie, usw. zu kritisieren. Soweit ein Bedürfnis besteht, neue Begriffe zu entlehnen, weil es für eine Funktion, einen Gegenstand, eine Tätigkeit kein angemessenes deutsches Wort gibt, ist die Verwendung eines fremden Begriffes durchaus legitim.

Darum geht es nicht.

Es gilt vielmehr, gegen die Auswüchse der Entwicklung anzutreten, also gegen die Modetorheit, um jeden Preis englische Wörter zu verwenden, auch wo überhaupt kein Bedarf besteht. Denn warum muß man unbedingt „News“ statt „Nachrichten“, „Snack“ statt „Imbiss“ und „event“ statt „Veranstaltung“ oder „Ereignis“ sagen?