Sprachfamilien

Es gibt auf der Welt eine Vielzahl von Sprachfamilien, also von miteinander verwandten Sprachen (d.h. Sprachen mit einem gemeinsamen Ursprung). Eine Übersicht befindet sich weiter unten.

Diese Verwandtschaft ist machmal offenkundig - z.B. bei den romanischen Sprachen, wo der gemeinsame Ursprung geradezu ins Auge springt -, machmal jedoch nur relativ schwer und nur für den Fachmann zu erkennen. So wurde das Hethitische (eine anatolische Sprache) erst 1915 und das Tocharische (eine Sprache, die im Mittelalter im chinesischen Teil Turkestans gesprochen wurde) erst 1908 als indogermanisch identifiziert.

Gleichwohl gilt die Zugehörigkeit fast sämtlicher Sprachen der Welt zu einer bestimmten Sprachfamilie (von wenigen Ausnahmen, vor allem in den pazifischen Inselwelten, abgesehen) als gesichertes Grundwissen.

Die wichtigste Methode bei der Erforschung und Zuordnung bildet der Vergleich einer Vielzahl von gleichbedeutenden Wörtern der betreffenden Sprachen (sog. Basiswörter), von denen man aus der Erfahrung weiß, daß sie nur äußerst selten aus einer anderen Sprache entlehnt werden.

So kann man beispielweise an den Zahlwörtern der verschiedenen Sprachen sehr gut die Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Sprachfamilie (dem Indoeuropäischen) erkennen: Die enge Verwandtschaft der indoeuropäischen Sprachen wird sofort deutlich.

deutsch gotisch tschech. lateinisch griechisch sanskrit japanisch
einer, eine ains, aina jeden, jedna unus, una heis, mia ekas hitotsu
zwei twai, twos dva, dve duo, duae dyo dva futatsu
drei thries tri tres treis tryas mittsu
vier fidwor cytyri quattuor tettares calvares yottsu
fünf fimf pet quinque pente panca itsutsu
sechs saihs sest sex hex sat muttsu
sieben subun sedm septem hepta sapta nanatsu
acht ahtau osm octo okto asta qattsu
neun niun devet novem ennea nava kokonotsu
zehn taihun deset decem deka dasa to

Die Tabelle zeigt eindrucksvoll, daß Japanisch (die letzte Spalte) nicht dazugehört, obwohl Japan geographisch wesentlich näher an Indien liegt als Indien z.B. zu Frankreich Die geographische Nähe ist also (natürlich) nicht von Bedeutung.

Den letzten - eigentlich nicht mehr nötigen - Beweis einer engen Verwandtschaft (also einer geinsamen Ursprungssprache) liefern die grammatikalischen Ähnlichkeiten (vgl. nachstehende Tabelle)

Diese sind von ganz besonderer Bedeutung, da Wörter durch Sprachkontakt (Handel, Nachbarschaft, Invasion, usw.) eher aus einer anderen Sprache entlehnt werden als die innere Struktur einer Sprache (Grammatik). - Wörter werden im Verhältnis recht schnell entlehnt (mit dem Import einer neuen Ware wird i.d.R. auch ihr Name eingeführt), grammatische Regeln im allgemeinen erst nach vielen Jahrhunderten.

Die nachstehende Tabelle zeigt ganz frappierende grammatikalische Ähnlichkeiten und liefert den letzten Beweis:

Vom Wesen her ist eine sog. Sprachfamilie (z.B. Indoeuropäisch) nichts anderes als die letzte gemeinsame Sprache, die ihre Sprecher gesprochen haben, bevor sich die regionalen Dialekte der Sprache (die jede Sprache hat) so weit auseinander entwickelt haben, daß eine gemeinsame Verständigung nicht mehr möglich ist.

 Sanskrit Altgriechisch Lateinisch Altirisch Gotisch
ich trage bhár-ami phér-o fer-o bir-u baír-a
du trägst bhár-asi phér-eis fer-s bir-i baír-is
er trägt bhár-ati phér-ei fer-t ber-id baír-ith
wir tragen bhár-amas phér-omen fer-imus ber-mi baír-am
ihr tragt bhár-atha phér-ete fer-tis ber-the baír-ith
sie tragen bhár-anti phér-ousi fer-unt ber-it baír-and