Reden ist Silber, Schweigen Gold?

Wann man sprechen und wann man schweigen soll, oder was ein bestimmtes Schweigen zu bedeuten hat, ist von Kultur zu Kultur sehr unterschiedlich.

Als Antwort auf die Frage: “Willst Du mich heiraten?” würde man im Deutschen und im Englischen ein Schweigen als Unsicherheit auffassen, im Japanischen dagegen als Zustimmung.

Stellt man einer Frau in Nigeria (auf Igbo, einer Niger-Kongo-Sprache mit 13 Millionen Sprechern) diese Frage, so bedeutet es Ablehung, wenn die Frau bleibt, und Einwilligung, wenn sie wegläuft ! - Da verstehe einer die Frauen!

Noch eine kurze juristische Anmerkung zu der geschilderten japanischen Sichtweise (Der Autor der Webseite ist von Beruf Jurist):


Nach deutscher (und ganz allgemein: westlicher) Rechtstradition gilt im Rechtsverkehr - schon seit römischem Recht - grundsätzlich der Satz: “Schweigen bedeutet Ablehnung”. (außer im Rechtsverkehr zwischen Kaufleuten untereinander).

Wenn man also beispielsweise im Briefkasten ein Angebot über irgendwelche Gegenstände findet, muß man nicht etwa die betreffende Firma anschreiben und ihr mitteilen, daß man das Angebot nicht annehmen möchte. Es genügt, wenn man auf das Angebot nicht reagiert, also untätig bleibt.

Nach japanischem Rechtsverständnis ist dies völlig anders. Wenn ein Japaner ein Angebot macht, erwartet er, daß der andere Teil sich ausdrücklich äußert, wenn er das Angebot ablehnen möchte. Er empfindet es als unhöflich, auf eine Frage nicht zu antworten. Er erwartet eine Antwort, und sei es eine negative.

Diese Sichtweise und die völlig unterschiedliche sprachliche, kulturelle und mentale Tradition der Japaner im Verhältnis zu den westlichen Ländern führen immer wieder zu großen Schwierigkeiten bei kaufmännischen und juristischen Verhandlungen mit japanischen (und generell mit asiatischen) Partnern: Wenn ein japanischer Geschäftsmann einem europäischen Partner im Rahmen von Vertragsverhandlungen ein Angebot macht, und dieser äußert sich nicht dazu, betrachtet der Japaner das Angebot als angenommen und den Vertrag als abgeschlossen.

Wenn umgekehrt der westliche Geschäftsmann ein Angebot macht und der japanische Partner es ablehnt (weil Schweigen aus seiner Sicht ja Zustimmung wäre), so betrachtet der Europäer bzw. Amerikaner die Verhandlungen zu diesem Punkt damit als gescheitert, und geht zum nächten Punkt der Verhandlungen über. Er weiß - oder bedenkt - nicht, daß für den Japaner die Sache damit noch lange nicht abgeschlossen ist und dieser noch weitere, oft lange Verhandlungen von seinem Geschäftspartner erwartet !

Diese und andere Sprach- und Mentalitätsunterschiede zwischen den westlichen und den asiatischen Kulturen gestalten die Geschäftsbeziehungen oft etwas schwierig.