Auf dem Bau einst und jetzt

Folgende satirische Geschichte - deren Verfasser mir unkannt ist - hat leider viel Wahres:

Ein Bauherr äußert den Wunsch, ein Schild mit der Hausnummer an einen Holzpfahl zu nageln.

Folgendes geschah daraufhin:

1960

Ein Bauarbeiter nagelt das Schild an, bedankt sich für eine dafür erhaltene Flasche Bier und geht.

Dauer: 20 Sekunden.

1970

Bauarbeiter geht zu Polier. Der gestattet das Einschlagen des Nagels und nimmt wohlwollend die Flasche Bier und eine Leberkässemmel in Empfang.

Dauer: 20 Minuten

1980

Bauarbeiter geht zu Polier; der zum Bauleiter. Dieser bespricht die Problematik mit dem Bauherrn bei einem Mittagessen, das der Bauherr bezahlt.Dafür verrechnet er dem Bauherrn nur eine Regiestunde sowie eine Schachtel Nägel.

Dauer: 2 Stunden.

1990

Bauleiter holt (nach dem Mittagessen) drei Offerte bei Subunternehmern ein.

Vergibt den Auftrag an den Billigstbieter, schlägt 3% Generalunternehmerzuschlag auf und legt dem Bauherrn eine Rechnung + 20% Ust.

Dauer: 2 Wochen

2000

Bauleiter informiert Firmenchef. Dieser holt fünf Angebote bei Einmanngesellschaften ein. Den Zuschlag bekommt der Billigste, verrechnet wird der Teuerste plus 7% Generalunternehmerzuschlag.

Dauer: 2 Monate

2015

Gleiche Prozedur wie 2000, jedoch zusätzlich:

Behördenbescheid, in dem ein statischer Nachweis verlangt wird sowie die Zustimmung des Architekturbeirates. Parallel dazu läuft eine Umweltverträglichkeitsprüfung an.

Der Arbeitsvorgang wird in den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan der Baustelle eingearbeitet. Sicherheitsfachkräfte werden tätig. Der Hammer wird CE- zertifiziert, der Nagel aus einer Liste EU- zugelassener Befestigungsmittel ausgewählt.

Der Arbeiter wird akademisch unterwiesen, wie der Nagel einzubringen ist. Er muss jedoch vorher noch zum Arbeitsmediziner, der seine geistige und körperliche Eignung für die Tätigkeit “Nagel einschlagen” attestiert. Wenn alles gut geht, die Umweltverträglichkeitsprüfung positiv ausgeht und die Bedenken des Architekturbeirates abgeschmettert werden können, darf der Nagel eingeschlagen werden. Ein Ziviltechniker beobachtet mit Argusaugen den ordnungsgemäßen Vorgang und siegelt das Abnahmeprotokoll.

Nagelstatik und Abnahmeprotokoll fließen in die “Unterlage für spätere Arbeiten” ein. Der Generalunternehmerzuschlag wird auf 30% nachjustiert.

Dauer: 2 Jahre.